Dunkle Ahnungen

  • Avel hatte sich in ihr Zimmer zurückgezogen. Hier stand sie nun, hatte die Türe hinter sich ins Schloss geworfen und starrte zum Fenster hinaus.
    Die Zeit hatte nicht gereicht, begriff sie langsam und schmerzlich. Das Universum fiel schneller in sich zusammen, als ihre Berechnungen ergeben hatten. Für eine kurze Zeit kämpfe Avel wieder mit ihren Gefühlen. Sie hatte alles verloren. Ihren Planeten, ihr geliebtes Zuhause, ihren andorianischen Eichenbaum. Fast war es ihr, als würde sie spüren, wie der Eichenbaum Tränen vergossen hatte, als er von der seltsamen Entität ins Nichts aufgesogen wurde. Etwas in ihrem Herzen schrie.


    Ihre Abwesenheit, die sie gedanklich in eine verlorene Welt verschlagen hatte, hielt einige Minuten an.


    Als irgendetwas gegen die Scheibe ihres Fensters knallte, schreckte sie auf. Was das wohl gewesen war? Ihr Blick fixierte das Fenster, doch dort war nichts zu sehen. Verwirrt schüttelte sie den Kopf und blickte auf ihre liebgewonnenen Schnitzereien, die auf dem Fensterbrett standen. Entschlossen stand sie auf und griff nach einem grossen Koffer. Wenigstens konnte sie diese Dinge mitnehmen, die sich hier in ihrem zweiten Zuhause bei Regit befanden. Ihre Lieblingsbücher. Zahlreiche Kleider, darunter ein elegantes Abendkleid, aber auch bequeme Jogginghosen. Kleine Gegenstände, die ihr etwas bedeuteten, wie ein süsses Kätzchen aus Porzellan, einen handgefertigten serrakinischer Traumfänger in ihren Lieblingsblautönen… Duftkerzen. Plüschtiere…
    Sie wusste zwar, dass Regits Materialisator auch solche Dinge synthetisch herstellen könnte, doch war es einfach nicht dasselbe.
    Sie packte alles in ihren Koffer und in eine riesige Tasche und blickte sich dann noch einmal in ihrem Zimmer um, als es an ihrer Tür klopfte.


    Avel öffnete und Ylak stand vor ihr. Was er wohl alles zurücklassen musste? Plötzlich musste sie an alle Lebewesen denken, die bereits ihren Tod gefunden hatten, bzw. in die Nicht-Existenz gesogen wurden. Sie schluckte schwer. Und als hätte er ihre Gedanken gelesen, murmelte er: „Wir retten so viele wir können, Avel…“ Nachdem sie sich wieder gefasst hatte, griff Ylak nach ihrem Koffer. Avel schnappte sich die Tasche und sie schritten gemeinsam ins Wohnzimmer, wo Regit bereits auf sie wartete. „Kommt, wir müssen los!“
    Er führte sie zum Kamin und drückte einige Knöpfe, die an der rechten Seite des Kamins blinkten. Als Ylak ihn fragend anschaute, meinte er lediglich: „Dieser Kamin wird uns auf direktem Weg zum Hangar bringen – es ist ein getarnter Turbolift, der mit Magnetspulen angetrieben wird und daher in Hochturbogeschwindigkeiten von Punkt A nach Punkt B springt.“ Ylak drehte sich der Magen nur schon bei der Vorstellung um und wurde schon bleich im Gesicht, als Regit hinzufügte: „Keine Sorge, er verfügt auch über einen integrierten Stabilisator, der jegliche Beschleunigungen und Abbremsungen ausgleicht. Man spürt also überhaupt nichts. Darf ich bitten?“ Er zeigte auf den Kamin. Mit eingezogenen Köpfen traten sie durch die Öffnung des Kamins und fanden sich im Inneren des Lifts wieder, wo sie aufrecht stehen konnten. Stahltüren, die aussen am Kamin befestigt waren, schlossen sich. Und ohne, dass man etwas hörte oder spürte, setzte sich der Lift in Bewegung. Leise ertönte Musik – Liftmusik, ganz im Stil der 1920er Jahre. Avel verkniff sich ein Schmunzeln, als sie Ylaks Stirnrunzeln bemerkte. Für sie war es nicht das erste Mal, dass sie mit diesem Lift „entführt“ wurde. Wenn sie Regit besuchte, nahm sie immer den Weg durch den Hangar. Sie liebte diesen Lift, er versetzte sie in ihre Kindheit zurück… Ein leises *pling* riss sie aus ihren Gedanken und sie sah, wie sich die Türe des Lifts öffneten. Wieder mussten sie sich kurz bücken, um aus dem Kamin heraustreten zu können.
    Was sie nun sahen, raubte ihnen die Sprache, verschlug ihnen die Stimme. Mit aufgerissenen Augen und offenen Mündern blickten sie sich an.
    Der Hangar war leer.
    Nichts und niemand zu sehen.
    Kein Schiff.
    Keine Piloten.
    Keine Mechaniker.
    Keine Menschenseele.

  • Avel fand als erste ihre Stimme wieder und stammelte unter Tränen: „W-w-was ist h-hier l-los?“
    Noch bevor irgendjemand etwas darauf erwidern konnte, piepste das Funkgerät an Regits Gürtel und Melvins Stimme erklang: „Sir Regit! Melden Sie unverzüglich Ihren Aufenthaltsort! Die Situation, die sich auf Ihrem Planeten gestaltet, ist lebensbedrohlich. Der Funkkontakt zu Avel und Ylak konnte nicht hergestellt werden.“ Verwirrt schauten sie sich an und Regit brüllte ins Funkgerät: „MELVIN! WAS SOLL DAS? WIR STEHEN ALLE DREI IM HANGAR UND KEIN RAUMSCHIFF IST MEHR HIER; WAS IST LOS? WARUM WURDEN WIR NICHT INFORMIERT?!“ Melvin erwiderte sachlich: „Keine Zeit für Erklärungen. Begeben sie sich umgehend zur Teleportationstation auf dem Hangardeck. RENNEN SIE!!!“ Erschrocken durch den plötzlichen Gefühlsausbruch rannten die drei los, was sich durch die Gepäckstücke etwas schwieriger gestaltete. Ihr Weg führte sie an Überwachungsmonitoren vorbei, die normalerweise den ganzen Planeten zeigten. Doch ein kurzer Blick auf den Bildschirm, den sie im Vorbeirennen erhaschen konnten, zeigte ihnen ein anderes Bild: Auf der Hälfte der Bildschirme war ein rotleuchtendes „ERROR“ zu sehen, das wild blinkte. Es war nicht schwierig, nun eins und eins zusammenzuzählen und Avels Herz blieb beinahe stehen. Die Angst war in ihren Augen abzulesen und die Beine drohten ihr wegzubrechen. Ylak packte sie mit seiner freien Hand am Oberarm und zwang sie damit, weiterzugehen.
    Regit riss die Türe des Teleporters auf. Als Avel kurz zurückblickte, wäre sie beinahe zur Salzsäule erstarrt. Dort, wo sie gerade noch gestanden hatten, als Melvin sie anfunkte, war nur noch ein schwarzes Loch – ein Nichts, Dunkelheit oder Schatten, der sich ausbreitete und alles in sich hineinfrass. Avel schrie und stolperte rückwärts auf den Teleporter zu. „MELVIN!“, schrie Regit in sein Funkgerät, „WIR SIND DA!!! AKTIVIERE DEN TELEPORTER!!!“ Alle drei sammelten sich auf der Plattform, als die Dematerialisierung begann und ihren Körper in Einzelteile zersetzte. Einen Augenblick später fanden sie sich an Bord der Galacticus wieder.
    Die folgenden Minuten nahm Avel nur durch einen Schleier war. Sie hörte noch die Meldung: „Wir haben sie!“ Dann wurde ihr schwarz vor den Augen und sie spürte, wie die Kraft sie verliess und sie beinahe gestürzt wäre, hätten nicht Regits und Ylaks starke Hände sie gestützt. Alles drehte sich. Der Schock hatte sich tief in ihren Körper vergraben und machte sie handlungsunfähig. Langsam sank sie zu Boden, immer noch im kräftigen Griff der beiden Männer. Sie hörte aus weiter Entfernung, wie Regits tiefe Stimme nach dem zuständigen Pflegepersonal rief und spürte, wie sich Ylak niederkniete und ihre Hand hielt. Kurz darauf verlor sie das Bewusstsein.

  • Hilflos musste Ylak mitansehen, wie Avel von den Pflegern auf eine schwebende Trage gehievt und weggebracht wurde. Nur mit halbem Ohr hörte er, wie Melvin in den Transporterraum gestürmt kam und auf Regit einredete. Regit hingegen war ausser sich vor Wut. Der Schock sass ihnen noch tief in den Knochen. Als Melvin informiert worden war, dass die eine Hälfte des Planeten bereits komplett ausgelöscht war, blieb ihm nichts anderes übrig, als schnell zu reagieren. Er erklärte, dass er noch versucht hätte, Regit zu erreichen, doch dass dies wohl genau in dem unglücklichen Moment gewesen wäre, als der Lift sie in den Hangar transportierte. "Das würde natürlich erklären, weshalb kein Funkkontakt hergestellt werden konnte. Die Signale wurden durch die hermetische Abschirmung des Lifts und die Interferenzen der Magnetspulen blockiert", erwiderte Regit.
    "Wo ist eigentlich Bambi?", Ylak blickte sich suchend um. Melvin sah ihn erstaunt an. "Bambi ist nicht auf dem Schiff, wir haben von ihm nichts gehört, Ylak", entschuldigte er sich. Bestürzt stand Ylak auf, entschuldigte sich und begab sich zum Funkraum.
    Er musste dringend Bambi informieren. Seine Schritte fühlten sich etwas unsicher an, als er in den Gängen des Raumschiffes entlang schritt. Als er endlich im Funkraum angekommen war und sich auf einen Stuhl niedersinken liess, atmete er erleichtert auf. Er griff zum Headset und gab die entsprechenden Koordinaten ein.
    Einen Moment lang fürchtete Ylak, dass es Bambis Flotte nicht mehr rechtzeitig geschafft hatte, da es sehr lange dauerte, bis endlich ein Knacken in der Leitung zu hören war.
    "Hallo?" Eine gebrochene, heisere Stimme meldete sich, welche klang, als hätte sie sich gerade eben noch die Seele aus dem Leib geschrien.
    "Bambi, wo seid ihr?", rief Ylak erfreut. "Entschuldige, hier gibt es keinen Grund zur Freude. Regit's Planet wurde gerade zerstört, und mit ihnen...“ Die Stimme verstummte. Ylak runzelte verwirrt die Stirn und wechselte zu einem ernsten Ton: „Bambi, ich bin es, Ylak. Wir konnten uns gerade noch retten!" Die Stimme klang nun ungläubig: „Ylak?!! Wie ist das möglich???“
    Ylaks Herz raste. „Wir haben uns mit Hilfe eines Teleporters in die Galacticus gerettet und fliegen nun zu den vereinbarten Koordinaten.“ Er konnte fast hören, wie Bambi Freudensprünge machte: „Bei allen Göttern von Andromeda, ich dachte, ihr wärt tot!!! Auf meinem Radar ist Regits Planet plötzlich verschwunden – und da ich nichts mehr von euch gehört habe…“ Bambis Stimme brach erneut und lautes Schluchzen war zu hören.
    Ylak redete beruhigend auf ihn ein: „Hey… Alles ist gut, ja? Wir haben es gerade noch geschafft.“ Er verschwieg, dass Avel auf der Krankenstation lag. "Ich schick dir die Koordinaten, wo wir uns treffen, ja?" "Gut, aber pass mir bloß auf, dass ihr dort auch auftaucht, Ylak." Dieser nickte lächelnd. "Ach und Ylak? JAGT MIR NIE WIEDER EINEN SOLCHEN SCHRECKEN EIN!“, schrie er ins Telefon und beendete das Gespräch.


    Schmunzelnd stand Ylak auf und verließ den Raum. Nachdem er sich auf seinem Zimmer etwas frisch gemacht hatte, kontaktierte er Regit, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen. "Es verläuft alles nach Plan, Ylak. Die Antriebe funktionieren wunderbar und wenn es so weiter geht, sollten wir in etwa 2 Stunden die Zielkoordinaten erreicht haben." Langsam machte sich Nervosität bemerkbar, doch Ylak ließ sich nichts anmerken. "Das ist super, ich werde mal nach Avel schauen. Sollte irgendetwas sein, gib mir Bescheid, ja?" Regit bestätigte und Ylak machte sich auf den Weg in die Krankenstation.


    "Tut mir leid, Sie dürfen hier nicht rein." Eine junge Krankenschwester ergriff Ylak am Arm. "Wir haben hier genug um die Ohren, da können wir niemandem erlauben, uns die Arbeit zu erschweren." Verwundert blickte Ylak die junge Frau an. "Ich möchte nur nach Avel schauen, sie wurde vor kurzem hergebracht, weil sie zusammengebrochen ist." Nachdem sie kurz eine Liste überprüfte, schüttelte sie den Kopf. "Tut mir leid, wir haben hier keine Avel. Und nun entschuldigen Sie mich bitte." Bevor sie durch die Tür verschwand, ergriff nun Ylak ihren Arm und hielt sie zurück. "Ich bin Ylak, ein Freund von Regit, und Avel ist eine gemeinsame Freundin von uns. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie hier ist, könnten Sie bitte noch einmal nachschauen?" Als die Krankenschwester Regit's Namen vernahm erhellte sich ihr Gesicht. "Ach entschuldigen Sie, natürlich wurde ihre Freundin hierher gebracht. Regit ließ sie jedoch in einem gesonderten Raum unterbringen. Folgen Sie mir, ich führe Sie zu ihr." Dankbar nickte Ylak und betrat die Krankenstation.

  • Als sich die Dunkelheit langsam aus Avels Bewusstsein zurückzog und sie langsam die Kontrolle über ihren Körper zurückerlangte, spürte sie als erstes die weiche Matratze, auf der sie lag. Als nächstes wanderten ihre Sinne in ihre Fingerspitzen. Sie fühlte, wie irgendjemand ihre Hand hielt. Avel verhielt sich ganz ruhig und versuchte sich zu erinnern, was geschehen war und wo sie nun sein könnte. Die Gedanken an Regits Planeten und an das Alles auslöschende Nichts schossen ihr plötzlich in den Kopf. Wie sie gerade noch so mit dem Leben davongekommen waren. Wie sie ohnmächtig wurde. Der Schock war immer noch zu viel für sie. Ihre Hand begann zu zittern und sie bemerkte, dass sich ihre Augen wieder mit Tränen füllten.
    Die fremde Hand umfasste ihre nun fester. Avel schlug die Augen auf und sah einen besorgten Blick auf sich ruhen.
    „Ylak…“, murmelte sie leise, als sie ihn erkannte. Vorsichtig versuchte sie sich aufzurichten, auch wenn sie sich noch sehr schwach fühlte. Ylak hatte ihre Hand nun losgelassen und richtete ihr Kissen, so dass sie besser sitzen konnte.
    „Wie lange war ich weg?“, fragte sie mit schwacher Stimme. „Du hast nichts verpasst“, antwortete Ylak mit einem beschwichtigenden Lächeln, „bald erreichen wir die Koordinaten und können dann dort den Sprung wagen.“ „Was ist mit Bambi?“ Ylak griff wieder nach ihrer Hand. „Keine Sorge, wir treffen ihn dann am Zielort. Er wird dort auf unser Schiff wechseln. Etwas beunruhigt schweiften Avels Augen im Zimmer umher. „Wo ist Regit?“ Ylak lächelte. Immer erst an die anderen denken, statt an sich selbst… „Regit ist bei Melvin, wir haben es ja alle noch an Bord der Galacticus geschafft. Sie überprüfen noch einmal den Antrieb.“ Beruhigt atmete Avel aus, liess sich etwas mehr in ihr Kissen sinken und umfasste Ylaks Hand. „Wann kann ich denn hier raus?“, fragte sie und blickte dabei auf die nervigen piepsenden Monitore, die ihren Herzschlag überprüften.
    Und als hätte die Ärztin einen dramatischen Moment für ihren Auftritt abgewartet, öffnete sich die Schiebetüre und sie kam hereingeschneit. Ihren digitalen Notizblock hatte sie mit der linken Hand umklammert, in der rechten Hand hielt sie einen Schreiber. Ihr Blick fiel auf Ylak, der am Bettrand sass und immer noch Avels Hand hielt. Sie runzelte missbilligend die Stirn, woraufhin Ylak seine Hand zurückzog und vom Bettrand aufstand. „Ich warte dann draussen…“ Schon drehte er sich um und sah Avels flehenden Blick, nicht alleine mit dieser Ärztin sein zu müssen, nicht mehr.


    „Und wie fühlen Sie sich?“ „Besser, danke. Kann ich nun gehen? Ich denke, ich werde gebraucht.“ „Wir werden sehen…“ Die Ärztin musterte sie und las dann die Daten auf dem Monitor ab, überprüfte die gesamte Zeitspanne. Sie tippte kurz etwas in ihr Notepad und nickte dann. „Sie scheinen sich bereits komplett erholt zu haben. Sie werden sich zwar in den nächsten Stunden noch etwas schwach fühlen, aber wir geben Ihnen etwas, das sie auf den Beinen hält.“ Sie griff in ihre Tasche, zückte zwei kleine Dosen und schraubte den Deckel auf. „Hier, je eine Tablette sollte reichen.“ Avel nickte, langte nach dem Wasserglas und schluckte beide. Bitter schmeckte es. Sie schauderte. Die Ärztin entfernte noch die Infusionen und nickte dann mit dem Kopf Richtung Tür. „Sie dürfen nun gehen. Ihre persönlichen Gegenstände wurden bereits auf Ihr Zimmer gebracht. B291.“ Mit diesen Worten verliess sie das Zimmer und Avel atmete erleichtert auf. Sie stellte fest, dass sie noch ihre alte Kleidung trug. Sanft strich sie mit ihren Händen die wenigen Falten glatt und hatte sogleich den bekannten Geruch von Desinfektionsmitteln in der Nase. Sie hustete etwas, als sie sich zum Ausgang bewegte, wo Ylak noch auf sie wartete. Fürsorglich bot er ihr einen Arm an.
    „Können wir gleich zu Melvin und Regit gehen?“, fragte sie.


    Da sie nicht genau wussten, wo sich die Beiden gerade aufhielten und per Funk keine Antwort kam, schlenderten sie erst einmal durch das riesige Raumschiff und suchten die Kommandozentrale. Dort waren die beiden nicht anzutreffen und auch im Cockpit war keine Spur von ihnen. Wenigstens konnte ihnen dort einer der Piloten weiterhelfen – Melvin und Regit seien im Maschinenraum.
    Logisch – Avel schlug sich die flache Hand gegen ihre Stirn. Wo denn sonst…
    Sie liefen also zum Lift, der in den Maschinenraum führte.


    Als sich die Lifttüren zum Maschinenraum öffneten, platzten Avel und Ylak gleich in eine hitzige Diskussion. „Der Antrieb wurde doppelt überprüft und gesichert! Es kann nichts schief gehen!“, war Melvins Stimme zu vernehmen. „Trotzdem – die Gleichungen und die Energieschwankungen zwischen Hyper- und Warpantrieb müssen auch doppelt geprüft und abgesichert werden.“ „Und das aus dem Mund eines Technologen, der immer auf die Berechnungen seiner Computer vertraute!“ Avel schluckte schwer, als sie diese Worte hörte und mischte sich in die Diskussion ein. „Wir haben ja gemerkt, dass sich auch Computer irren können, wenn nicht alle Faktoren berücksichtigt wurden. Sonst wären wir nicht von der Auflösung des Planeten überrascht worden.“

  • Die beiden Männer verstummten und wandten sich ihnen zu. "Avel, wie geht's dir?" Regit fand als erstes seine Stimme wieder. "Danke, ich hab es überstanden. Aber worum geht es in eurer Diskussion eigentlich?" Melvin schüttelte den Kopf. "Nichtigkeiten. Ich werde die Berechnungen nochmal überprüfen", erklärte er an Regit gewandt, "und dann sehen wir uns nachher auf der Brücke?" Dieser nickte und mit raschem Schritt verließ der junge Wissenschaftler den Raum.
    "Bambi hat sich übrigens bei mir gemeldet, kann aber noch nicht andocken, da wir uns im Hyperraum befinden." Ylak's Mine hellte sich auf. "Wunderbar, ich hatte schon befürchtet, wir müssten länger auf ihn warten. Wie lange dauert es eigentlich noch bis wir die Koordinaten erreichen?" Die drei begaben sich langsam zur Treppe. Regit tippte rasch einige Informationen auf sein Handheld ein und blickte dann auf. "Laut meinen Berechnungen sollten wir in 26 Minuten vor Ort sein. Wir sollten uns also langsam auf den Sprung vorbereiten." Avel nickte zustimmend und die drei machten sich auf den Weg zur Brücke.


    "Sir, es gibt keine Komplikationen, alles läuft so wie geplant. Sobald Imperator Bambi das Schiff betreten hat, können wir den Sprung wagen", informierte der Pilot die drei. Nickend nahm Regit die gute Nachricht zu Kenntnis und wandte sich zu seinen Begleitern. "Habt ihr euch eigentlich schon Gedanken gemacht, wie es in dem Paralleluniversum weitergehen soll? Immerhin müssen wir alle von Neuem anfangen." Nachdenklich blickte Ylak ihn an. "Ich glaube, ich werde meine kriegerischen Aktivitäten an den Nagel hängen und mich dem Handel und Aufbau eines neuen Imperiums widmen. Dabei möchte ich kleinere Imperatoren unterstützen und ihnen mit Rat zur Seite stehen anstatt sie zu bekämpfen." Entschlossen nickte er. "Ja, ich ich bin lang genug vor meiner Bestimmung davongelaufen, es ist an der Zeit sich ihr zu stellen." Es wurde still und die beiden Männer blickten Avel an. "Wäre es nicht besser, sich erst einmal Gedanken um das Hier und Jetzt zu machen und nicht bereits Luftschlösser zu bauen? Wir wissen noch nicht einmal, in was für einer Galaxie wir landen werden. Das Einzige was zählt, ist dass wir zusammenbleiben sollten, um uns gegenseitig helfen zu können." Sie blickte auf und bemerkte die betretenen Gesichter der beiden. Doch bevor sie etwas sagen konnte, wurden sie von einem der Piloten unterbrochen: "Sir, in zwei Minuten werden wir den Hyperraum verlassen." Sofort kam Bewegung in die Gruppe und bereits kurze Zeit später hatten sich alle gesetzt und waren angeschnallt. "Wir verlassen den Hyperraum in 3, 2, 1..." Ein Ruck ging durch das gesamte Schiff und Ylak spürte, wie die Geschwindigkeit immens gedrosselt wurde. Einen kurzen Augenblick war es still, kein Ton war zu hören und verwundert fragte er sich, ob es nun doch Komplikationen mit dem neuen Antrieb gegeben hatte, als erneut die Stimme des Piloten ertönte: "Imperator Bambi bittet um die Erlaubnis andocken zu können, Erlaubnis erteilt."


    Im Augenwinkel sah Ylak, wie Avel munter wurde, rasch ihren Gurt löste und aufstand. "Lasst uns ihn begrüßen gehen." forderte sie und begab sich zur Tür, bevor sie verlegen stehen blieb und zu Regit blickte. "Wie kommen wir eigentlich zum Hangar?" grinste sie, trat einen Schritt beiseite und ließ Regit vorrangehen, während sie ihm mit Ylak folgte.
    Schon von weitem ertönte Bambi's Stimme und Avel beschleunigte ihre Schritte. Als sie um die Ecke bog, erblickte sie den jungen Imperator. Auch er hatte sie bemerkt und erfreut leuchteten seine Augen auf, während er auf sie zurannte und sie stürmisch umarmte. "Avel, wie schön dich zu sehen!" "Es ist lange her, seit dem letzten Mal, wo hast du dich nur die ganze Zeit rumgetrieben?", vorwurfsvoll blickte sie ihn an. Ein verlegenes Grinsen huschte über seine Lippen und er erklärte versöhnlich: "Ich bin viel herumgereist und habe dabei auch einiges gelernt." Er blickte auf und sah Ylak und Regit nun neben Avel stehen. "Ylak, welch eine Freude dich wiederzusehen", die beiden umarmten sich kurz, "ich muss ja schon sagen, ihr habt mir einen ziemlichen Schrecken eingejagt vorhin." Er versuchte, die beiden böse anzuschauen, konnte seine Erleichterung jedoch nicht verbergen. "Aber gut, ich bin froh, dass ihr wohlauf seid." Er wandte sich an Regit. "Hallo Regit und danke für alles. Ohne dich und deine Technologien würden wir nicht hier sein..." Regit hob abwehrend die Hand. "Zuviel der Ehre, aber es freut mich, dass du hier bist. Ist dein Schiff entladen?" Bambi blickte kurz auf das rege Treiben im Hangar und nickte dann. "Jawohl, meine Männer sind gerade fertig geworden." Zufrieden lächelte Regit: "Dann lasst uns keine Zeit verlieren. Kommt am besten mit auf die Brücke."

  • Einige Wochen zuvor auf dem aufstrebenden Heimatplanten des jungen Bambi:


    Es war ein lauer Vorfrühlingsabend. Bambi kam gerade von einem langen Stadtspaziergang zurück. Er hatte die frische Luft bitter nötig gehabt. Kopf lüften, mindestens einmal pro Woche. Um den ruhigen Tag schön ausklingen zu lassen, füllte er seinen Whirlpool. Mit einem erleichterten Seufzer glitt er in das warme, leise blubbernde Wasser. Er schloss seine Augen und ein zufriedenes Lächeln nistete sich in seinen Mundwinkeln ein.


    Doch der Frieden hielt nicht lange an. Bereits wenige Minuten später klopfte es an der Tür und der oberste Kommunikationsoffizier betrat Bambis Wellness-Oase. „Sir, ich habe Ylak auf Leitung 1. Er sagt, es sei ausserordentlich dringend und könne unmöglich warten!“ Bambi musste grinsen. Er hatte schon eine Weile nichts mehr von seinem Vater gehört. Es freute ihn sehr, dass er anrief, auch wenn er sein Entspannungsbad störte.


    Während dem folgenden Gespräch wurde Bambi aber ernst. Sein Lächeln wich einem nachdenklichen Stirnrunzeln. Aufmerksam hörte Bambi Ylaks Ausführungen zu, was dieser zusammen mit Avel und Regit mit Hilfe der Prophezeiungen herausgefunden hatte. Bambis Planet musste schnellstmöglich evakuiert werden, um der totalen Zerstörung des Universums zu entgehen. Nachdem das Wichtigste geklärt war, verabschiedete sich der junge Imperator mit den Worten: „Ich werde sofort zu euch kommen. Die wichtigsten Sachen habe ich eh bei mir, da ich morgen auf eine Rundreise aufbrechen wollte. Dann verschieb ich das halt.“ Bambi konnte sich selbst in einer solch ernsten Situation ein kleines Spässchen nicht verkneifen. Trotz allem freute er sich unglaublich, bald bei seinen Eltern zu sein und Zeit mit ihnen verbringen zu dürfen.


    Der Flug sollte um einiges unangenehmer werden, als Bambi es erwartet hatte. Es war ein riesiger Schock für ihn, als Regits Planet von seinen Monitoren verschwunden war. Bambi gab sich Mühe sich bei seinem Telefonat mit Ylak nichts anmerken zu lassen, aber er war immer noch völlig am Ende wegen der Schreckensminute, als er dachte seine Eltern seien mit Regits Planeten untergegangen. Seine Nerven lagen immer noch blank, als sein Schiff endlich das von Regit erreichte. Jedes Mal, wenn er daran dachte, wurden seine Knie ganz weich und er musste sich setzen. Man sah es ihm auch an. Er wirkte wesentlich älter als noch vor wenigen Wochen und dunkle Augenringe untermalten seine blauen Augen. Bei genauem Hinsehen konnte man auch einige graue Haare an seinem Hinterkopf ausmachen. Zum Glück hat Bambi diese selbst noch nicht entdeckt. Dieser Anblick hätte ihm vermutlich den Rest gegeben.


    Nachdem er Regits Schiff endlich betreten und den grossen Imperator kennengelernt hatte, zeigte seine Mutter Avel ihm das grosse Schiff. Bambi schämte sich es ihr zu sagen, doch er hatte sie unglaublich vermisst. Sie alberten rum und vertrieben sich die Zeit in der Spielhalle – selbst das gab es auf dem Schiff – mit Multiplayergames. Bambi war ein leidenschaftlicher Spieler, doch zwischendurch liess er die etwas tollpatschige Avel gewinnen, damit sie nicht wütend wurde.


    Erschöpft vom Spielen genehmigten sich die beiden einen Drink an der Bar. Avel begnügte sich mit einem Glas Galaktischen Quellwassers, während Bambi, obwohl es erst Nachmittag war, einen Whisky on the Rocks bestellte. Gerade als sie ihre Getränke erhielten, kam Ylak herein und bevor Bambi ihn fragen konnte, ob er auch etwas trinken möchte, sprudelte es aus seinem Vater heraus: „Da seid ihr ja, ich hätte wissen müssen, dass ich dich an der Bar finde, Bambi.“ Er zwinkerte seinem Sohn zu, während dieser nur verlegen vor sich hin grinste. „Kommt schnell mit, es ist alles bereit zum Sprung. Melvin will loslegen.“

  • Nachdem Ylak sie informiert hatte, schallte Melvins Stimme durch das ganze Raumschiff. „Der Zeitpunkt des Sprungs ist in wenigen Minuten erreicht. Bitte begeben Sie sich in ihr Quartier und schnallen Sie sich fest. Wir wissen nicht, ob die Stabilisatoren die Belastung des Dimensionensprungs aushalten.“
    Nachdem auch Bambis Gefolgschaft instruiert war, begab sich das kleine Grüppchen zur Kommandobrücke, wo ebenfalls Sessel bereit gestellt waren.
    Es herrschte ein geschäftiges Treiben, als sie auf die Brücke traten. Ein Countdown war auf dem Hauptschirm zu sehen. Noch sechzig Sekunden. Dahinter war die Unendliche Weite des Weltalls. Dunkelheit. Vereinzelte Sterne, die aber immer weniger zu werden schienen. Melvin blickte das Grüppchen grummelnd an. „Los, es bleibt nicht mehr viel Zeit!“ Avel, Bambi und Ylak nickten sich zu und setzten sich dann auf die Sessel, die noch frei waren, legten den Sicherungsgurt um und blickten dann erwartungsvoll auf die Zahlen, die runterzählten. Als die Zehn auf dem Bildschirm blinkte, setzte eine mechanische Stimme ein, welche die Zahlen herunterlas. Bei Drei hielt Avel den Atem an, ihre Hände krallten sich in die Armstützen. Bei Zwei legte sich eine Hand auf die ihre, wodurch sie sich wieder etwas entspannte. Bei Eins blickte sie noch einmal panisch zu Melvin, der aber ein selbstsicheres Grinsen auf den Lippen hatte, bei Null schloss sie die Augen.
    Ein riesiges Rumoren dröhnte durch das ganze Raumschiff, ein Vibrieren war zu spüren, als die grossen Antriebe des Raumschiffes die volle Leistung erreicht hatten. In der nächsten Sekunde schien es, als wäre eine Bremse gelöst worden. Keine Sekunde später spürte sie eine Gravitationswelle, die sie in den Sessel drückte. Dann gab es einen grossen Knall. Danach Totenstille.
    „Du kannst die Augen wieder aufmachen“, flüsterte eine Stimme in ihr linkes Ohr. Vorsichtig blinzelte sie kurz, um festzustellen, dass alles noch am richtigen Ort war. Dann fiel ihr Blick auf den Hauptschirm und sie riss die Augen auf. Vor ihnen war ein Planet erschienen!
    Eine Computerstimme gab Koordinaten durch. Es waren immer noch dieselben Koordinaten, wo sie vorhin bereits waren. „Der Sprung ist geglückt!!!“, jubelte Avel. Melvin starrte auf eine Konsole, die Berechnungen durchführte. Regit sprach mit seiner ruhigen Stimme zu einem der Fachkräfte auf der Kommandobrücke: „Führen Sie einen Sensorencheck durch. Messen Sie die Galaxie aus, so gut sie können.“ Dann funkte er zu den Chefingenieuren. „Erstatten Sie Bericht. Wie geht es den Maschinen und den Triebwerken?“ Sogleich ertönte eine aufgeregte Stimme „Regit, der Warpantrieb ist überhitzt. Damit werden wir nicht mehr fliegen können. Es gab eine Explosion im Warpkern, direkt nach dem Sprung. Der darangekoppelte Hyperantrieb hat aber keinen Schaden genommen.“ Regit nickte bedächtig und antwortete: „Können Sie das reparieren?“ – „Wir können unser Bestes geben, doch weiss ich nicht, ob die Ressourcen ausreichen.“ „Versuchen Sie’s!“

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