Avel hatte sich in ihr Zimmer zurückgezogen. Hier stand sie nun, hatte die Türe hinter sich ins Schloss geworfen und starrte zum Fenster hinaus.
Die Zeit hatte nicht gereicht, begriff sie langsam und schmerzlich. Das Universum fiel schneller in sich zusammen, als ihre Berechnungen ergeben hatten. Für eine kurze Zeit kämpfe Avel wieder mit ihren Gefühlen. Sie hatte alles verloren. Ihren Planeten, ihr geliebtes Zuhause, ihren andorianischen Eichenbaum. Fast war es ihr, als würde sie spüren, wie der Eichenbaum Tränen vergossen hatte, als er von der seltsamen Entität ins Nichts aufgesogen wurde. Etwas in ihrem Herzen schrie.
Ihre Abwesenheit, die sie gedanklich in eine verlorene Welt verschlagen hatte, hielt einige Minuten an.
Als irgendetwas gegen die Scheibe ihres Fensters knallte, schreckte sie auf. Was das wohl gewesen war? Ihr Blick fixierte das Fenster, doch dort war nichts zu sehen. Verwirrt schüttelte sie den Kopf und blickte auf ihre liebgewonnenen Schnitzereien, die auf dem Fensterbrett standen. Entschlossen stand sie auf und griff nach einem grossen Koffer. Wenigstens konnte sie diese Dinge mitnehmen, die sich hier in ihrem zweiten Zuhause bei Regit befanden. Ihre Lieblingsbücher. Zahlreiche Kleider, darunter ein elegantes Abendkleid, aber auch bequeme Jogginghosen. Kleine Gegenstände, die ihr etwas bedeuteten, wie ein süsses Kätzchen aus Porzellan, einen handgefertigten serrakinischer Traumfänger in ihren Lieblingsblautönen… Duftkerzen. Plüschtiere…
Sie wusste zwar, dass Regits Materialisator auch solche Dinge synthetisch herstellen könnte, doch war es einfach nicht dasselbe.
Sie packte alles in ihren Koffer und in eine riesige Tasche und blickte sich dann noch einmal in ihrem Zimmer um, als es an ihrer Tür klopfte.
Avel öffnete und Ylak stand vor ihr. Was er wohl alles zurücklassen musste? Plötzlich musste sie an alle Lebewesen denken, die bereits ihren Tod gefunden hatten, bzw. in die Nicht-Existenz gesogen wurden. Sie schluckte schwer. Und als hätte er ihre Gedanken gelesen, murmelte er: „Wir retten so viele wir können, Avel…“ Nachdem sie sich wieder gefasst hatte, griff Ylak nach ihrem Koffer. Avel schnappte sich die Tasche und sie schritten gemeinsam ins Wohnzimmer, wo Regit bereits auf sie wartete. „Kommt, wir müssen los!“
Er führte sie zum Kamin und drückte einige Knöpfe, die an der rechten Seite des Kamins blinkten. Als Ylak ihn fragend anschaute, meinte er lediglich: „Dieser Kamin wird uns auf direktem Weg zum Hangar bringen – es ist ein getarnter Turbolift, der mit Magnetspulen angetrieben wird und daher in Hochturbogeschwindigkeiten von Punkt A nach Punkt B springt.“ Ylak drehte sich der Magen nur schon bei der Vorstellung um und wurde schon bleich im Gesicht, als Regit hinzufügte: „Keine Sorge, er verfügt auch über einen integrierten Stabilisator, der jegliche Beschleunigungen und Abbremsungen ausgleicht. Man spürt also überhaupt nichts. Darf ich bitten?“ Er zeigte auf den Kamin. Mit eingezogenen Köpfen traten sie durch die Öffnung des Kamins und fanden sich im Inneren des Lifts wieder, wo sie aufrecht stehen konnten. Stahltüren, die aussen am Kamin befestigt waren, schlossen sich. Und ohne, dass man etwas hörte oder spürte, setzte sich der Lift in Bewegung. Leise ertönte Musik – Liftmusik, ganz im Stil der 1920er Jahre. Avel verkniff sich ein Schmunzeln, als sie Ylaks Stirnrunzeln bemerkte. Für sie war es nicht das erste Mal, dass sie mit diesem Lift „entführt“ wurde. Wenn sie Regit besuchte, nahm sie immer den Weg durch den Hangar. Sie liebte diesen Lift, er versetzte sie in ihre Kindheit zurück… Ein leises *pling* riss sie aus ihren Gedanken und sie sah, wie sich die Türe des Lifts öffneten. Wieder mussten sie sich kurz bücken, um aus dem Kamin heraustreten zu können.
Was sie nun sahen, raubte ihnen die Sprache, verschlug ihnen die Stimme. Mit aufgerissenen Augen und offenen Mündern blickten sie sich an.
Der Hangar war leer.
Nichts und niemand zu sehen.
Kein Schiff.
Keine Piloten.
Keine Mechaniker.
Keine Menschenseele.